Wir feiern heute das hochheilige Pfingstfest. Dieser Tag ist das Wiegenfest der Hl. Kirche. Heute ist durch den Hl. Geist die Hl. Kirche gegründet worden, denn am heutigen Feste sind die Apostel das geworden, was sie sein mußten, um ihrer großen Aufgabe zu entsprechen. Heute ward der Grundstein gelegt für die Hl. Kirche; es ist also die heilige katholische Kirche ein Werk des Hl. Geistes. Der Hl. Geist wirkte aber mit seinen Gnaden nicht bloß damals in den Aposteln, sondern sein Wirken dauert noch heutzutage fort und wird immer dauern, bis an das Ende der Welt.
Das Wirken des Hl. Geistes zeigt sich in seinen sieben Gaben. Unter diesen Gaben des Hl. Geistes sind zwei, welche ganz vorzüglich in unseren Tagen notwendig sind. Diese zwei Gaben heißen: Die Gabe des Verstandes und der Stärke. Wir wollen zuerst von der Gabe des Verstandes reden. Der Mensch muß allererst einen klaren Verstand haben, wenn er seine Bestimmung, die der Katechismus lehrt, erkennen will. Der Mensch soll Gott erkennen. Das ist das erste, was der Katechismus sagt; also muß der Mensch, wenn er Gott erkennen soll, den Verstand haben! Wenn er einmal erkennt, daß Gott das liebenswürdigste Gut ist, wird er ihn auch lieben und ihm dienen und so ewig selig werden. Das erste also ist die Erkenntnis. Gott, meine lieben Gläubigen, ist gewiß gut! Man muß ihn nur kennenlernen!
Nicht alle, die die Gabe des Verstandes haben, werden selig werden. Denn wer sagt: Herr, Herr! der erkennt ihn wohl als Gott, aber deshalb darf er sich noch nicht sicher sehen, sondern er muß auch den Willen des himmlischen Vaters tun. Und dazu, meine lieben Gläubigen, ist die Gabe der Stärke notwendig! Wir dürfen uns nicht damit begnügen, in unserem Herzen zu glauben, sondern wir müssen den Glauben nach außen sehen lassen und auch dann, wenn es nicht so leicht ist.
Es gibt viele Christen, die im Herzen ganz gut sind, die es wissen, daß die römisch katholische Kirche die wahre Kirche ist; aber eine Gabe fehlt ihnen – die Gabe der Stärke. Sie sind im Glauben schwach und fürchten sich, den Glauben zu bekennen. Aus Furcht vor Schimpf und Verhöhnung trauen sie sich nicht ein Zeichen zu geben, daß sie Christen sind. Es ist wahr, meine lieben Gläubigen, wir brauchen keine Tafel tragen auf unserer Stirne, wo geschrieben ist: Ich bin ein Christ! Das brauchen wir nicht! Darin besteht aber auch das Bekenntnis des Glaubens nicht! Wenn wir aber in die Gelegenheit kommen, wo es sich darum handelt, entweder den Glauben zu bekennen oder zu leugnen, ob wir Christen sind oder nicht, da sollen wir, meine lieben Gläubigen, so von Liebe entzündet werden, daß wir wirklich aus Liebe zu dem Heilande, der sich nicht schämte für uns öffentlich einen so schmachvollen Tod zu leiden, lieber alles hingeben, als den Glauben an Jesum zu verleugnen.
Wenn die Schlechten, die Sozialdemokraten sich nicht schämen, öffentlich rote Hemden, Mascherln und ganz rote Kleider zum Zeichen ihrer blutigen Ideen zur Schau zu tragen, sind die Christen so feige, daß sie ihren Glauben ins Portemonnaie verstecken und dort verborgen herumtragen. Den Glauben soll man nicht verstecken, sondern den soll man zeigen zum Zeichen, daß man ein Christ ist. Bitten wir, meine lieben Gläubigen, den Hl. Geist um die Gabe der Stärke. Schauen wir auf das Beispiel so vieler heiliger Märtyrer.
sel. P. Anton Maria Schwartz, Predigt am Pfinstmontag 1896