Aus dem Katechismus wissen wir, dass die Engel und die Menschen die vorzüglichsten Geschöpfe Gottes sind, und dennoch kann man sagen, es gibt Geschöpfe, welche noch vorzüglicher sind. Denn obgleich sie Menschen sind, leben sie doch vollkommener als die gewöhnlichen Menschen, denn sie halten nicht nur die Gebote Gottes, sondern befolgen auch die evangelischen Räte, und der Herr hat selbst gesagt, ihr werdet sein wie die Engel. Was ist es für ein großer Schaden, wenn ein Diamant verloren geht und in den Kot getreten wird, Hunderte gehen mit ihm verloren, aber wieviel größer ist der Schaden, wenn eine Ordensperson ihrem Berufe untreu wird und sich in den Kot der Sünde stürzt.
Meine lieben Schwestern, auch Sie gehören zu diesen vorzüglichsten Geschöpfen, Sie erneuern heute Ihre Gelübde. Um sie treu zu erfüllen, brauchen Sie besonders zwei Stücke: Die Erkenntnis und die Gnade. Sie haben hierin das schönste Vorbild an der seligsten Jungfrau Maria, wer war gehorsamer als sie? Sie gehorchte dem hl. Josef auf jeden Wink, sie gehorchte dem jüdischen Gesetze, sich aufschreiben zu lassen, wenn sie auch dazu nicht verpflichtet war. Sie gehorchte auch ihrem Sohne, als er sprach: „Weib! Was hab ich mit dir zu schaffen?“ Maria ist das schönste Vorbild der hl. Reinheit, denn gibt es ein Geschöpf, das reiner, glänzender ist, als sie, die Reine, die Unbefleckte? Sie hat auch die hl. Armut auf das Vollkommenste geübt, denn obschon sie den Schöpfer Himmels und der Erde geboren hat, lebte sie doch arm von ihrer Hände Arbeit, und der hl. Josef war ein armer Zimmermann.
Ihr versprechet, man könnte fast sagen, Übermenschliches, aber Ihr brauchet deshalb nicht zaghaft werden. Wen der liebe Gott zu Hohem berufen, dem gibt er auch die Gnade. Ihr habt die Gnade, Ihr könnet euer Versprechen erfüllen, als Unterpfand dafür gebe ich Euch als Priester des Herrn, möchte sagen, als Dolmetsch der lieben Mutter Gottes, den heiligen Segen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes. Amen.
sel. P. Anton Maria Schwartz, Ansprache an die Barmherzigen Schwestern am Fest Mariä Empfängnis 1898